Khaibar – Khaibar – Allahu Akbar! – Jerusalem ist unser!

Artikel vom 03. August 2017

Das Pferd sei diesmal von hinten aufgezäumt: Nachdem eine Kundgebung in Kassel vom Versammlungsleiter beendet wurde, skandierte die noch nicht nach Hause gelaufene Menge folgende Parolen: „Khaibar Khaibar ya yahud jaish muhammad sa yahud!“ Auf deutsch: „Juden, erinnert euch an Khaibar, die Armee Mohammeds kommt zurück!“

Khaibar steht für die islamische Erzählung eines Sieges von Mohammeds Truppen gegen eine damals von Juden bewohnte Stadt auf der arabischen Halbinsel. Sie mussten sich in der Erzählung Mohammed unterwerfen und eine Sondersteuer zahlen, später wurden die meisten von ihnen vertrieben. (https://de.wikipedia.org/wiki/Chaibar_(Feldzug)) Wenn man diese Zeilen als judenfeindliche bzw. antisemitische Kampfparolen bezeichnet liegt man also nicht falsch.

Warum intoniert also eine Menschenansammlung unbehelligt mitten am Tage in einer deutschen Großstadt solche Zeilen?

Zur Rekapitulation: Am 14. Juli hatten drei israelische Araber, die bewaffnet vom Tempelberg gekommen waren – die Waffen wurden ihnen in der Al Aksa-Moschee überreicht – in der Altstadt zwei israelische Polizisten erschossen, und waren dann auf den Tempelberg zurückgelaufen, wo sie bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wurden. Danach stellten die israelischen Sicherheitskräfte Metalldetektoren auf, um solche Vorfälle zukünftig zu vermeiden. Dies führte dann zu den Insurrektionen palästinensischer Gruppierungen mit dem sattsam bekannten Ablauf auch in Deutschland. (http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/tempelberg-toedliche-propaganda/)

Zur Solidarisierung mit den Insurgenten mobilisierten Palästinensische Gemeinden überregional. In Kassel rief die […] zu einer Kundgebung für „Al-Aqsa und Al-Quds (= Jerusalem)“ auf. In NRW war in einem Aufruf von „Judaisierungsmaßnahmen“ die Rede, die den „Lebensraum“ des palästinensischen Volkes und die Religionsfreiheit, „heute Al-Aqsa und morgen die Grabeskirche“, bedrohe, man kann davon ausgehen, dass auch die […] in Kassel kein Problem mit solcherlei Formlierungen hätte.

[…]

Jedenfalls versammelte sich am Freitag eine mit palästinensischen Fahnen drapierte Gruppe Männer mittleren und jüngeren Alters auf der Rathaustreppe in Kassel. Zu Beginn wurde die palästinensische Hymne intoniert. Dort heißt es: „Mein Land, das Land meiner Großväter … meine Nation, die Nation der Ewigkeit“ so wird klar und deutlich der territorialen Anspruch der gewünschten Nation benannt. Der ist mit friedlichen Mitteln nicht umsetzbar. Daher wird folgerichtig mit „Ich werde als Fidai (Guerillero) leben, ich werde Fidai bleiben / Und werde als Fidai sterben, bis wir in unser Land zurückkehren“ sowohl der bewaffnete Kampf, wie auch der Märtyrertod beschworen. Im Blut-und-Boden-Duktus wird ein Racheschwur ausgesprochen: „Mit meiner Entschlossenheit, meinem Feuer und dem Vulkan meiner Rache / Dem Verlangen meines Blutes nach meinem Land und Heim“ (Siehe hier).

Teils ergriffen lauschend, teils die Hymne laut mitsingend posierten die Männer Fahnen schwenkend auf der Rathaustreppe. Danach wurde „Freiheit für Palästina“, „Jerusalem ist unser“ und weitere Parolen auf arabisch skandiert. Mit dem Rücken zum Publikum rief ein Einpeitscher den auf der Treppe positionierten Männern die Parolen zu, die diese dann skandierten. Der Truppe, sorgsam separiert, zur Seite gestellt, waren auch ein paar Frauen, die sich im Habitus jedoch nicht von ihren männlichen Spießgesellen unterschieden. Nach und nach wurden dem Publikum dann auch mit Fahnen drapierte Kleinkinder entgegengehalten, eines davon mit einem Schal, auf dem das Wappen der Fatah zu sehen war: Zwei Maschinengewehre, eine Handgranate und ganz Palästina (= kein Israel) sind dort abgebildet.

Auch einige Männer, mit ihren „abnormalen Bärten“ (Xinhua) und Tschador tragenden Frauen als Anhänger der Salafisten Szene kenntlich, leisteten ihren palästinensischen „Brüdern“ Unterstützung.

Zum Schluss wurde dann mehrere Minuten „Allahu Akbar!“ skandiert. Der Mastermind des Café Buchaoase und Ehemann der Al Najem Jörg Uloth war auch zugegen und bedrängte den Chronisten der Infostelle Antisemitismus Kassel, als auch dieser die Kundgebung fotografisch dokumentierte. Außer unserer Genossen des AK Raccoons und des Bündnis gegen Antisemitismus waren keine organisierten Antifaschisten zu sehen, auch nicht die sonstigen üblichen Verdächtigen, die sich in Kassel bei jedem Aufmarsch mehr oder weniger abseitiger (vermeintlicher oder tatsächlicher) Nationalisten, Faschisten und Rassisten sammeln. Auch die Stadt Kassel, die sich dafür rühmt, Partnerstadt der israelischen Stadt Ramat Gan zu sein, und damit, die Geschichte des Nationalsozialismus vorbildlich aufgearbeitet zu haben und den ermordeten und vertriebenen Juden zu gedenken, verhielt sich zu diesem israel- und judenfeindlichen, national-islamischen Zinnober nicht.

Das lässt nichts Gutes erwarten. Die Unterstützer der palästinensischen Insurgenten kündigten weitere Kundgebungen an. Es bleibt abzuwarten, ob antifaschistische und demokratische Kräfte in Kassel sich ihrer selbst auferlegten politischen Verantwortung bewusst werden und den aktuell bedrohlichsten Formen des Antisemitismus entgegen treten.

BgA Kassel
Ak: Raccoons

[Anmerkung: Da dem BgA rechtliche Konsequenzen angedroht werden, haben wir die Hinweise auf die Aufrufenden vorübergehend entfernt.]

Kurzmeldung: Mobilisierung der antisemitischen Internationale nach Hamburg

Artikel vom 29. Juni 2017

Aktuell mobilisieren bundesweit eine Vielzahl an Gruppierungen für einen „Internationalistischen Block“ auf den Protesten gegen den G20 Gipfel in Hamburg Anfang Juli. Neben den Gruppen „Revolution“ und „ArbeiterInnenmacht“, die in Kassel für die Plakatieraktion verantwortlich sein dürften, stehen auch die antisemitische und offen israelfeindliche „Boykott, Desinvestion und Sanktionen gegen Israel“-Bewegung (BDS, dazu: http://www.hagalil.com/2015/12/bds/) und eine Gruppe mit dem Namen „For one state and return in Palestine“ auf der Unterstützerliste. Letztere schreiben in ihrem Selbstverständnis beispielsweise: „Das Problem des Zionismus kann nur durch die Rückkehr aller 1948 Vertriebenen und ihrer Nachkommen in das Land, aus dem sie vertrieben wurden, gelöst werden – das ganze historische Palästina.” und die Unterstützung Israels durch den deutschen Staat wird kommentiert mit der Behauptung, Deutschland gebe „dem Zionismus eine freie Hand für seine ethnische Säuberung Palästinas“.
Dass die Kasseler Gruppen “Revolution” und “ArbeiterInnenmacht” den antisemitischen Schulterschluss nicht scheuen, sondern vielmehr mittragen, zeigte sich bereits im Jahr 2014, als sie zusammen mit IslamistInnen und unter “Allahu akbar”- und “Kindermörder Israel”-Rufen in Kassel für den “Frieden in Palästina” demonstrierten. Neben den obligatorischen mehr oder minder subtil antisemitischen Ausfällen, kam es auf der Demonstration auch zu Holocaustvergleichen und vereinzelten Hitlergrüßen. Die Gegenkundgebung des Bündnis gegen Antisemitismus, zu der auch wir aufgerufen hatten, wurde derweil durch Mitglieder von „Revolution“ abfotografiert und ins Internet gestellt. Unsere komplette Stellungnahme zu den damaligen Ereignissen findet sich hier: http://raccoons.blogsport.de/2014/07/16/kasseler-zustaende-antizionistische-demonstration-erhaelt-unterstuetzung-von-links/ Anbei noch eine kleine Videoimpression: https://www.youtube.com/watch?v=HBIKsnmgsw0

Veranstaltungsreihe: Antisemitismus hat viele Gesichter – Aspekte eines gesellschaftlichen Wahns

Artikel vom 28. September 2016

Sprüche wie „Juden raus!“, „Jude, Jude feiges Schwein, komm herunter kämpf‘ allein!“ „Judenpack!“, usw. rufen in der Gesellschaft Abscheu und Widerspruch hervor. Mit Personen, die sich so äußern, will man nichts zu tun haben. Offener und unvermittelter Judenhass wird vor allem in rechtsextremen Kreisen und bei Islamisten artikuliert. Diese sind zwar gesellschaftlich isoliert, deswegen aber nicht harmlos. Äußern sich Personen in etablierten Parteien und Verbänden in dieser Weise, folgt meistens der Rausschmiss. Ist damit alles gut? Wir denken das nicht. Nach 1945 ist offen artikulierter Antisemitismus zwar gesellschaftlich geächtet, aber deswegen nicht verschwunden.

Umfragen belegen bis heute, dass viele Bürgerinnen und Bürger Aversionen gegen Juden hegen. Antisemitische Vorurteile existieren in abgewandelter Form weiter und strukturell dem Antisemitismus entsprechende Ideologeme finden sich in allen politischen Zusammenhängen, nicht zuletzt häufig auch in linken. Insbesondere das Thema Israel führt oft zu irrationalen und wirklichkeitsfremden Meinungsbildern und ruft Emotionen hervor. Nicht selten artikuliert sich in diesem Zusammenhang auch eine, das individuelle Urteilsvermögen lahmlegende leidenschaftliche Wut. Die Wut und der Hass auf Israel sind Ausdruck des sekundären Antisemitismus und nehmen heute eine gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Stellvertreterfunktion des einst in Deutschland als Staatsräson geltenden und die gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen habenden Antisemitismus ein.

Mit unserer Ringvorlesung wollen wir die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Antisemitismus zur Sprache bringen und diskutieren. Wir können und wollen keine Credits für den Weg zur Erlangung eines akademischen Abschlusses vergeben, sondern das kritische Denkvermögen, das Interesse zur Reflexion und die Lust zum Widerspruch anregen. Wir möchten so dazu beitragen, dem Antisemitismus, der „Negativen Leitidee der Moderne“ (Samuel Salzborn), besser entgegen treten zu können.

Unsere Veranstaltungsreihe wurde durch großzügige Unterstützung des AStA der Uni Kassel möglich.

Die Veranstaltungsreihe wird zusammen mit dem AK Antisemitismus an der Uni Kassel, dem BgA Kassel, dem Infoladen an der Halitstraße und der Unabhängigen Linken Liste Kassel LiLi organisiert.

Sie findet im Rahmen der diesjährigen Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu-Antonio-Stiftung statt.

14.10. Tagesseminar – Mideast Freedom Forum: Die Israelische Demokratie und der Nahostkonflikt; Infoladen, Holländische Str. 88, Kassel, Beginn 11.00 Uhr

Der Fokus des Seminars liegt darauf, Israel als demokratischen Staat vorzustellen, dessen jüdisch-nationale Gründungsbewegung – der Zionismus – wie andere nationale Bewegungen im 19. Jahrhundert entstanden ist und nach der Shoah in eine Staatsgründung mündete. In diesem Kontext wird auf den Konflikt mit den Palästinensern und den arabischen Staaten eingegangen und es werden dessen wichtigste Stationen (Unabhängigkeitskrieg 1948, Sechstagekrieg 1967, Intifadas und Osloer Friedensprozess) beleuchtet.

Zu dieser Veranstaltung ist eine Anmeldung per Email erforderlich: BgA_Kassel[at]gmx.de

21.10. Stephan Grigat: Antisemitismus – Zur Kritik einer Weltanschauung; Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 18.30 Uhr

Die Wurzeln des Antisemitismus reichen sowohl bis in die frühchristliche und mittelalterliche als auch islamische Judenfeindschaft zurück. Der moderne Antisemitismus unterscheidet sich jedoch von der klassischen Judenfeindschaft. Wie hängt die gesellschaftliche Verfasstheit der Moderne mit dem auch als Wahn zu erklärenden Antisemitismus zusammen und worin unterscheidet sich Antisemitismus vom Rassismus und anderen Vorurteilen und Denkmodellen der Diskriminierung? In der Veranstaltung soll es darum gehen, Kontroversen um den Begriff aufzuzeigen und aktuelle Deutungsversuche des Antisemitismus zur Debatte zu stellen.

26.10. Marius Mocker: „Antisemiten aller Länder…“ – der Hass auf Israel als Schnittpunkt von linkem und gesamtgesellschaftlichem Antisemitismus in Europa; Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Mit der Mobilisierung gegen angebliche israelische Kriegsverbrechen erreichte die zumindest operative Zusammenarbeit zwischen linken und islamistischen Antisemiten hierzulande einen ihrer Höhepunkte in den letzten Jahren. Warum Träger von irrationalen Ressentiments jeder Ausformung im Hass auf Israel immer einen gemeinsamen Nenner finden werden und welche Rolle dabei die diversen Fraktionen innerhalb der deutschen und europäischen Linke spielen, darüber soll diskutiert werden.

02.11. Martin Kloke: Zwischen Scham und Wahn: Bilder Israels in der deutschen Öffentlichkeit; Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Wie kein Land der Welt sorgt Israel für Leidenschaften in der politischen Auseinandersetzung. Weniger Beachtung in den gesellschaftlichen Debatten findet eine scheinbar positive Identifikation mit Israel in einigen neurechten, identitären, aber auch christlich-fundamentalistischen Milieus: Wie ist der Zusammenhang von Hass und Überidentifikation zu verstehen und warum wird gerade Israel so oft zum Objekt von Obsessionen?

11.11. Anna-Lena Rackwitz: Antiamerikanismus als Weltanschauung; Veranstaltungsort: Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Die Aversionen gegen Amerika sind ein entscheidendes ideologisches Bindeglied in den Querfronten. Bei Antiimperialisten, Friedensbewegten, Linksparteipolitikern und bei Anhängern diverser Verschwörungstheorien sowie bei Protagonisten der AfD und Pegida-Aktivisten als auch bei klassischen Nazis steht Amerika als ein halluziniertes Gegen-Europa oder wird als Antipode zu Deutschland angesehen. Wie wenig einerseits dieses Bild mit den konkreten Zuständen in den USA zu tun hat und warum gerade die USA diese Rolle in den emotional besetzten Weltanschauungen spielen, soll auf der Veranstaltung diskutiert werden.

16.11. Thomas Maul: Der Zusammenhang von Gesetz, Erlösung und Antisemitismus im Christentum. Veranstaltungsort: Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Stünden die Christen derart im Bann des Selbstopfers, als sie sich dessen jüdisch-messianischen Sinns sowie der Dialektik von Urchristentum und Kirche mit Blick auf die Notwendigkeit rechtlicher Vermittlung in einer unerlösten Welt endlich bewusst würden, es gäbe keinen christlichen Antisemitismus mehr, es wäre das Christentum überhaupt erst bei sich selbst.

30.11. Felix Riedel: Der islamische Antisemitismus. Über die Geschichtsmächtigkeit und Folgen der Enttäuschung eines erfolglosen Missionars. Veranstaltungsort: Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Im Koran findet man Lob und Bewunderung für die jüdischen Religionsgründer. Vor allem mit dem Zauberer Moses identifiziert sich der Prophet Mohammed. Wie beim Protestantismus überdecken jedoch rasch Enttäuschung des erfolglosen Missionars und Verschwörungsangst die Sympathie. Der Unterwerfung, Vernichtung und Vertreibung der jüdischen Stämme aus Mekka und Medina folgen Ghettoisierung und Diskriminierung in der islamischen Welt. Im 20. Jahrhundert entsteht das bis heute wirksame explosive Konglomerat aus traditionellem Chauvinismus, sekundärem Antisemitismus und Verschwörungstheorien.

14.12. Jan Rathje: No World Order – Wie antisemitische Verschwörungsmythen die Welt verklären. Veranstaltungsort: Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Verschwörungserzählungen begleiten auch die aktuellen Krisen. „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ sind die einschlägigen Begriffe, denen man auf Demonstrationen nicht nur rechtsextremer Bewegungen, in „alternativen“ Medien und den Sozialen Netzwerken begegnet. Die Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungsideologien und –mythen machen auf diese Weise deutlich, dass es sich bei den zugrundeliegenden Erzählungen eben nicht ausschließlich um Unterhaltung handelt, sondern ihnen der Wunsch nach der Vernichtung von Widersprüchen innewohnt. Funktionen und Ursachen von Verschwörungsideologien sowie gesellschaftliche Probleme, die aus ihnen erwachsen, sollen der Diskussion gestellt werden.

18.01. Laura Luise Hammel: „Wer seit hundert Jahren die Fäden zieht“ – Antisemitische Verschwörungstheorien in Protestbewegungen am Beispiel der Mahnwachen für den Frieden; Uni Kassel Holländischer Platz, Nora Platiel Straße 5, Raum 1108, Beginn 20.00 Uhr

Anfang 2014 sorgte auf deutschen Marktplätzen und Online-Plattformen eine neue Protestbewegung für Aufsehen. Mit ihrem Leitthema der Forderung nach „Frieden“ befasste sie sich etwa mit politischen und wirtschaftlichen Krisen oder der Rolle der Medien, aber auch eine Vielzahl esoterischer Einflüsse prägten die wöchentlichen Treffen der neuen Bewegung. Kritiker werfen den Mahnwachen eine Offenheit für Verschwörungsmythologie und Antisemitismus sowie die Bildung einer neurechten Querfront vor. Wie entstand die Bewegung? Wer waren ihre Protagonisten und was trieb die Anhänger an?

01.02. Merle Stöver: Korrespondenzen antisemitischer Ideologie mit feministischer Theorie und Praxis. Veranstaltungsort: Uni Kassel Holländischer Platz, Raum und Zeitpunkt wird in Kürze bekannt gegeben.

Feminismus stellt eine gesellschaftliche Notwendigkeit dar und muss immer Teil einer Gesellschaftsanalyse- und Kritik sein. Doch mit Blick auf gesellschaftliche Missstände, sehen wir das Fortleben antisemitischer Ideologie, die weder vor linken Kontexten noch vor feministischen Gruppierungen und ihren Gesellschaftstheorien Halt macht. Daher gilt es zu untersuchen, ob es unter Feminist*innen bzw. im Feminismus Antisemitismus gibt und auf welche Art und Weise sich dieser äußert.

Kasseler Zustände: Antizionistische Demonstration erhält Unterstützung von “links”

Artikel vom 16. Juli 2014

Am Nachmittag des 15. Juli versammelten sich am Stern deutlich über tausend Menschen, um unter dem Motto „Frieden in Palästina“ durch die Kasseler Innenstadt zum Rathaus zu ziehen. Die Demonstration wurde von keiner Gruppe, sondern von mehreren Einzelpersonen organisiert und hauptsächlich über das Internet beworben. Bereits am Auftaktort machte sich eine aggressive Grundstimmung breit, einige Jugendliche sprachen davon, später noch „Juden zu verprügeln“. Als der Demonstrationszug in schnellem Tempo loszog, wurden die üblichen Parolen wie „Kindermörder Israel“ oder „Allahu akbar“ gerufen und Transparente sowie Schilder mit geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Holocaustvergleichen gezeigt.

Obwohl die Veranstaltenden, sowohl im Vorfeld, als auch während der Demonstration ständig an die Teilnehmenden appellierten, sich nicht antisemitisch zu äußern, oder provozieren zu lassen, zeigte sich der Hass auf Juden und den Staat Israel nicht nur in Form der mitgebrachten Schilder, sondern auch durch die mitgeführten Fahnen. So wurden nicht nur Palästina-Fahnen und durchgestrichene Flaggen des Staates Israel, sondern auch eine Flagge der Hamas gezeigt. Außerdem wurde eine übergroße, abgewandelte Fahne der Franco-Faschisten geschwenkt, auf ihr war zu lesen:“patriotismo asta la muerte“ – Patriotismus bis zum Tod. Auch Symbole der islamistischen Organisation Isis waren auf Kopfbändern zu sehen.

Als der antizionistische Demonstrationszug auf dem Weg zum Rathaus die Treppenstraße erreichte, schien allein der Anblick der israelsolidarischen Gegenkundgebung unter dem Motto „Gegen Antisemitismus und Israelhass auf Kassels Straßen“ Grund genug, um die Aggression vollends ausbrechen zu lassen. Kleine Gegenstände wie Feuerzeuge flogen auf die Gegenkundgebung, die Teilnehmer*Innen der “Friedensdemo“ versuchten die israelsolidarische Kundgebung anzugreifen und mussten sowohl durch ihre eigenen Ordner*innen, als auch durch eine BFE-Einheit zurückgehalten werden. Die Kundgebungsteilnehmer*innen wurden antisemitisch und sexistisch beleidigt, ebenso wurden mehrfach Todesdrohungen ausgesprochen. Im Nachgang der Demo wurden auf der Veranstaltungsseite auf Facebook Bilder von Teilnehmenden der Kundgebung gepostet und ihnen körperliche Gewalt angedroht.

Besonders erwähnenswert ist die Unterstützung der israelfeindlichen Demonstration durch Personen aus dem Organisationskreis der in Kassel wöchentlich stattfindenden Montagsmahnwache, sowie aus Teilen des antiimperialistischen Spektrums um die Organisationen Revolution, Arbeitermacht, SDAJ und MLPD. Nicht nur die Aluhut-Fraktion mobilisierte bereits im Vorfeld, gemeinsam mit den antiimperialistischen Kleinstgruppen stellten sie einen Teil der Ordner*innen Struktur der Demonstration. Dabei gaben gerade diese Gruppen um Revolution und Co. noch zu Beginn der Montagsmahnwachen an, sich gegen Faschismus, Antisemitismus und Verschwörungstheorien auszusprechen – offenkundig ein reines Lippenbekenntnis. Der Schulterschluss zwischen antisemitischen Verschwörungstheoretiker*innen und den Kasseler Steinzeitkommunist*Innen scheint sich vollzogen zu haben. So hält ein Ordner der MLPD im hektischen Gemenge vor der israelsolidarischen Kundgebung einen Lautsprecher in die Luft, es ertönt „Allahu akbar“. Auf der Abschlusskundgebung predigt der selbe Ordner auf den Treppen vor dem Kasseler Rathaus: „Der aktive Widerstand, egal ob friedlich oder bewaffnet, ist gerechtfertigt“. Noch offensichtlicher kann man seine Sympathie mit den Angriffen der Hamas wohl kaum kundgeben. Des Weiteren fotografierte ein Mitglied von Revolution die Kundgebungsteilnehmer*innen ab, wenig später wurden sie auf der Facebookseite der Gruppe veröffentlicht. Die ohnehin in der Bedeutungslosigkeit verschwindenden Gruppen um Revolution, SDAJ und Co. scheinen also wiedermal ihren politischen Fokus auf die Unterstützung antisemitischer Demonstrationen und praktische Anti-Antifa Arbeit gelegt zu haben – chapeau!

Wir als antifaschistische Gruppen TASK und ak:raccoons verurteilen das Verhalten der vermeintlich linken Gruppierungen aufs schärfste. So sehr es als eine Basisbanalität erscheint, dass das antifaschistische Engagement gegen Antisemitismus und religiösen Fundamentalismus auch eine Anerkennung des Staates Israel und der damit verbundenen Schutzfunktion beinhaltet, zeigen solche Vorkommnisse, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus weiterhin eingefordert werden muss.

Die Demonstration wird am Freitag den 18.Juli in umgedrehter Richtung wiederholt. Damit befindet sich der Abschlussort am Stern nur wenige Meter von der Synagoge entfernt. Es ist eine unzumutbare Situation, dass die jüdische Gemeinde es in Erwägung ziehen muss, ihr gemeinsames Gebet aufgrund der bedrohlichen Lage abzusagen.

Der antizionistischen Querfront entgegentreten!

Solidarität mit den Betroffenen antisemitischer Gewalt!

Ein erster Bericht der Veranstalter*innen findet sich unter: http://bgakasselblog.wordpress.com/2014/07/15/hate-parade-in-kassel-und-ein-kleines-bundnis-was-dagegen-halt/

Weiterhin: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19730