„Festige unsere Schritte und hilf uns gegen das ungläubige Volk“ – Die Gruppe ‘Kassel Türk’ und die Mobilmachung gegen Griechenland

Die Facebookgruppe ‘Kassel Türk’ versteht sich als Vernetzungsplattform für in Kassel lebende Türkeistämmige. Die Gruppe hat circa 2700 Mitglieder und verbietet nach selbst erstelltem Regelkatalog „unmoralische Beiträge, Respektlosigkeit, Belästigung und Weiteres“.

Davon scheinen jedoch türkisch-nationalistische Beiträge nicht betroffen zu sein, wie die jüngsten Beispiele der islamisch-nationalistischen Mobilmachung gegen Griechenland deutlich machen. Hintergrund ist der Streit der beiden Natopartner um maritime Gasvorkommen vor griechischen Inseln, die nach dem Vertrag von Lausanne zu Griechenland gehören.

Die türkische Regierungskoalition aus der ultranationalistischen MHP und Erdoğans islamistischer AKP versucht jedoch die Schmach der Niederlage des osmanischen Reiches zu revidieren und erneut an die Größe des Kalifats anzuschließen. Bedeutsam sind hierfür neben dem schwelenden Konflikt mit Griechenland der türkische Angriffskrieg auf kurdische Gebiete im Irak und in Syrien, die Einmischung in den libyschen Bürgerkrieg sowie der Wunsch Erdogans als Sprachrohr aller Muslime der Welt aufzutreten.

In der Gruppe ‘Kassel Türk’ vollziehen Erdoğans Schergen, die wohlgemerkt Administratoren der Gruppe sind, die neoosmanische Mobilmachung: Ibrahim Tekin teilt ein Video aus dem Mittelmeerraum zwischen der Türkei und Griechenland wo Fans des Istanbuler Clubs Beşiktaş mit mehreren Booten auf See den Sieg der Mannschaft feiern. Diese bezeichnet er als Navy und sieht darin den Grund warum die Türkei keine Armee bräuchte, um Griechenland zu besiegen, wobei der faschistische Wolfsgruß im Post nicht fehlen darf.

In der Ideologie der Volksgemeinschaft ist jeder Soldat

Selahittin Özdemir teilt direkt ein Bild der türkischen Kriegsmarine mit einem Ausschnitt der Sure 3, Vers 147, in der Allah angerufen wird, zum Sieg über die Ungläubigen beizutragen. Das Ganze stößt in der Community nicht auf Widerspruch oder Diskussionsbedarf, sondern es wird von mehreren Mitgliedern der Gruppe der Gebetsruf wiederholt.

Mit Allah für den Sieg

Die Kasseler Ibrahim Tekin und Selahittin Özdemir sind keine unbekannten Akteure und kennen sich auch gegenseitig: im Jahr 2018 waren sie Teil einer offiziellen Delegation der türkischen Religionsbehörde Diyanet, um Hilfsprojekte in Burkina Faso zu unterstützen.

friendly face of terror: Özdemir (2.v.l.) und Tekin (4.v.l.) als Deligierte

Im selben Jahr haben beide an einer Reise mit dem Hassprediger der Mattenberger DITIB Moschee Semih Öğrünç (Predigt im Artikel von 2016) in die Türkei teilgenommen, wo sie unter anderem das Denkmal der Schlacht von Çanakkale besuchten. Im ersten Weltkrieg wurden die Briten vom osmanischen Reich an der Meerenge von Çanakkale triumphal besiegt, was von Erdogan und seinem Gefolge heutzutage als Sieg des Islam über westliches Kreuzrittertum mystifiziert wird. Daher ist es auch nicht zufällig, dass sich die Gruppe junger Männer der DITIB-Reise mit dem islamistischen Handzeichen des erhobenen Zeigefingers vor den Soldatenbildnissen positionieren.

Mit DITIB-Tours in Çanakkale für Märtyrertod, Gott und Vaterland

Tekin und Özdemir haben ihr politisches Zuhause in Kassel in der DITIB-Moschee in Mattenberg und der islamistischen Graue Wölfe Moschee in der Kasseler Bunsenstraße gefunden und dürften sich dort unter ihren Gesinnungsbrüdern und -schwestern pudelwohl fühlen.

Tekin und friends mit Handzeichen der Muslimbrüder // Selfie im Graue Wölfe Zentrum

Akteure wie Tekin und Özdemir, die die islamistisch-nationalistische Staatsdoktrin der Türkei in Deutschland verbreiten gibt es in Kassel und Nordhessen en masse. Sie finden sich in den islamischen Verbänden von DITIB, der Millî Görüş und den Grauen Wölfen, aber durchaus auch unorganisiert. Sie schüren in ihren Zentren und politischen Gesprächsrunden zu Hause die Feindbilder der türkischen Nation – seien es Kurden, Aleviten, Griechen oder Armenier – und machen Stimmung für die türkischen Angriffskriege wie im Falle von Afrin (2018) und Rojava (2019).

Die in der türkischen Community weitverbreiteten islamistischen wie auch nationalistischen Einstellungen bedeuten jedoch nicht, dass es in der Türkei wie auch in der türkischen Community im Ausland keine demokratische Opposition gäbe, auch wenn diese enormen Anfeindungen und Repressalien ausgesetzt ist. Diese demokratische und säkulare Opposition und nicht die Islamfaschisten und Nationalisten von DITIB und deren ideologische Komplizen sollten Ansprechpartner für die Politik auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sein. Es gilt die geltenden Staatsverträge aufzukündigen, Gelder zu streichen, Kollaborationen und Projekte zu beenden und die Faschisten überall dort, wo sie auftreten, zu demaskieren.

Jedes Treffen, jede Partnerschaft, jede gemeinsame Aktivität, so klein und belanglos sie auch erscheint, ist ein kleines Glied in der Legitimationskette, die Islamisten zu schmieden versuchen.